Venture Capital: Wie wird der VC-Nachwuchs investieren?
In den Startlöchern stehende Gen Z Investor:innen haben ihre ganz eigenen Vorstellungen von zukunftsfähigen Investitionen. Gen Z macht 30 Prozent der Weltbevölkerung aus und wird mit ihren Ansprüchen an die Arbeitswelt sowohl den Arbeitsmarkt als auch die Zukunft der Investments prägen. Richtet man den Blick auf junge Mitarbeitende in Venture Capital Unternehmen, stellt sich schnell heraus, dass die zukünftigen Expert:innen in Sachen Venture Capital vor allem werteorientiert sind. Wie also wird die Gen Z investieren? Wie die eigene Wertestruktur in die Arbeit einfließen lassen? Und welche Tipps hat der VC-Nachwuchs für angehende Gründende, um ein Funding zu erhalten?
Nicht nur durch prominente Unternehmer:innen und erfolgreiche Gründungs-Storys auf Social Media, auch durch Serien wie “Die Höhle der Löwen” und “CreateF - The Female Founders Show”, haben VCs in der breiteren Öffentlichkeit an Sichtbarkeit gewonnen. Diese neue Allgegenwart zeigt vor allem den jüngsten Arbeitsmarktanwärter:innen einen Karriereweg auf, der sich gut mit ihrem Habitus vereinen lässt, Impact zu generieren. Eine der populärsten Wahrnehmungen von Gen Z (geboren 1995-2012) ist, dass ihre Mitglieder aktivistisch sind und sich stark für ihre Werte einsetzen. Themen wie der Klimawandel und Einkommensgleichheit stehen in ihrem Fokus. Der Gerechtigkeitssinn der Post-Millennials beeinflusst ihre Weltanschauung und lässt sie Impact an die erste Stelle setzen. Damit repräsentieren sie eine Generation, die große Veränderungen in Branchen einleiten wird.
Die Weichen für werteorientiertes Investieren sind gestellt
Immer mehr Investor:innen zeigen bereits Interesse an Impact-Themen und damit an Lösungen für die Klimakrise oder an Werten wie Diversity, was die Post-Millennials begrüßen dürften. Auch ESG-Bewertungen von Neu-Investments stehen immer höher im Kurs.
Der Gründer und CEO der in Europa führenden Impact-Personalberatung für die Scale-up- und VC-Szene mit besonderem Fokus auf Climatetech, Julian von Blücher, macht in den letzten Monaten einen deutlichen Trend hin zu diverseren Teams aus – welche nachweislich eine wesentlich größere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittlich erfolgreich und profitabel zu sein. Speziell für Tech-Start-ups mit Impact auf das Klima prognostiziert von Blücher rosige Aussichten:
“Das europäische Start-up Ecosystem zieht immer mehr US Investoren an. Dies gilt insbesondere für den Climatetech-Sektor. Beispielsweise legt Al Gores Generation mit Blick auf das boomende Climate-Tech-Ökosystem in Europa einen neuen 1,7-Milliarden-Dollar-Fonds auf. Aber auch das europäische Ecosystem wird immer erwachsener. Und auch der Umschwung und der finanzielle sowie gesellschaftliche Druck auf eine allumfassende Energiewende: erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft lässt hoffen. Dabei erweist sich der Climatetech-Sektor resilienter als andere Startup-Industrien. Drei Viertel der Investoren gehen nach einer aktuellen Studie davon aus, dass Green- und Climatetech in Zukunft eine größere Rolle spielen werden.“
2021 investierten VCs 10 Mrd. US-Dollar in auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmen in Europa. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es “nur” 5,4 Mrd. US-Dollar. Die Gen Z ist diejenige Generation, die Gründungen im Climatetech-Sektor vorantreibt und auch Investments in diese Richtung gleichermaßen begrüßt und anzieht. Denn gerade diese Generation stellt die Sinnfrage viel grundsätzlicher und wird die eigene Berufswahl und Karriere sehr viel stärker als jede andere Generation davon abhängig machen, sei es in der Rolle als Gründer:in oder in der Rolle als Angestellte/r.
Welche Schwerpunkte sieht der VC-Nachwuchs zukünftig im Funding-Rampenlicht?
Generation Z bietet den VCs Zugang zum besonders technikaffinen Teil der Gesellschaft. Einige der größten europäischen VCs haben ihre Türen nicht nur für Impact-Themen, sondern auch für ebendiese Nachwuchs-Investor:innen geöffnet. Darunter auch Earlybird, ein Venture Capital Investor, der mit dem UNI-X Fonds speziell nachhaltige Deeptech-Start-ups und universitäre Ausgründungen fokussiert und so Unternehmen anspricht, die ihre Pre-Seed oder Seed Runde raisen.
Natalia Ahmadian (25) ist im Investment Team bei Earlybird UNI-X tätig, außerdem Mitglied der 2hearts Community und per Definition ein Post-Millennial. Natalia sieht das Klima und die damit verbundenen Veränderungen bei Investmententscheidungen zukünftig weiter stark im Fokus. Ein Beispiel für solch eine einhergehende Veränderung ist der sinkende Fleischkonsum, weswegen es in den letzten Jahren zahlreiche Investments für Alternativen im Food-Tech-Bereich gab (zum Beispiel Formo oder Perfeggt). Ferner sieht Natalia, hervorgebracht durch die Covid-19-Pandemie, großes Potenzial für Ed-Tech und HR-Tech. “Die Pandemie hat im Bildungssystem große Lücken hinsichtlich der Digitalisierung aufgezeigt und in Bezug auf die Arbeit und auch auf die Arbeitgeber neue Anforderungen mit sich gebracht, die nach neuen Technologien und Ansätzen verlangen”, erklärt sie. Als Tipp für Gründer:innen hält sie Folgendes parat:
“Unsere Generation bevorzugt kurze und unkomplizierte Kommunikationswege sowie ein schnelles Agieren – darauf sollten sich Gründer:innen auf jeden Fall einstellen. Ich würde ihnen zudem empfehlen, Investor:innen offen und direkt anzusprechen. Es ist für (angehende) Gründer:innen sehr relevant, ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass Gen Z vor allem in Ideen investieren wird, die dem Planeten und der Gesellschaft zuträglich sind."
Leon Sander (24), Investment Associate bei Christian Angermayers privater Investmentfirma Apeiron Investment Group und deren europäischem VC-Arm Elevat3 Capital, sieht außerdem, dass die Gen Z der Biotechnologie und ihrem Potenzial zur Verbesserung der Gesundheit und des psychischen Wohlbefindens zunehmend Aufmerksamkeit schenkt:
"In den nächsten zwei Jahrzehnten wird die Welt durch Technologie völlig umgestaltet werden. Dabei geht es nicht nur um die offensichtlichen Dinge, die wir bereits sehen, wie E-Mobilität, Quantencomputing, Raumfahrt und das Metaverse. Technologien werden es uns auch ermöglichen, unseren Körper und unseren Geist neu zu definieren, wobei die synthetische Biologie an vorderster Front steht. Es werden neue Therapeutika entwickelt, die Demenz und Alzheimer (siehe Amyriad Therapeutics) verhindern sowie psychische Störungen (siehe atai Life Sciences) heilen werden. Es wird auch solche geben, die die intellektuellen Fähigkeiten junger Menschen steigern oder die Gesundheitsspanne des Menschens verlängern (siehe Rejuveron). Wir sprechen hier von wissenschaftlichen Fakten, nicht von Fiktion – und die wird es schon sehr bald geben.”
Leon Sander sieht auch, dass sich grüne Geschäftsmodelle im Proptech- und Fintech-Sektor rasch weiterentwickeln. "Climatetech wird weiterhin zahlreiche Branchen durchdringen und interessante Verbindungen und neue Möglichkeiten schaffen. Ich sehe derzeit viele spannende Berührungspunkte zwischen Fintech und Climatetech (wie z.B. die clean-energy-as-a-service Investmentplattform Bullfinch) sowie Proptech und Climatetech (wie z.B. der nachhaltige Wohnraumsentwickler Gropyus).” Dabei macht er eine wachsende Zahl von Investor:innen aus, die einen verstärkten Fokus auf Climatetech legen, gleichzeitig aber immer noch vor Hardwarekomponenten zurückschrecken und sich ausschließlich auf Softwareprodukte konzentrieren. “Ich glaube, dass Hardware eine zentrale Rolle in der Climatetech-Bewegung spielen muss, um die Klimakrise an der Wurzel zu packen. Gründer müssen darauf achten, die Bedeutung der einzelnen und einzigartigen technischen Aspekte ihrer Idee hervorzuheben und sie für Investoren leicht verständlich und zugänglich zu machen", so Leon.
Auch Jan-Soeren Zinke (24) sieht die Forderungen seiner Generation in der VC-Welt aufkommen. Jan ist Associate bei Iris Capital, einem paneuropäischen und stage-agnostischen VC, Mitgründer des Netzwerks InnovatorsRoom und war u. a. Speaker auf dem diesjährigen TechChill Riga, der VivaTech Paris und Hub.Berlin zu Themen wie “Gen Z: The Way Forward for Venture Capital” und “The State of European Venture Capital”. Jan erklärt:
“Gen Z ist eine “we” vs. “me” Generation. Baby-Boomern und Millennials wird nachgesagt, dass sie Selbstverwirklichung und das Streben nach dem ganz persönlichen Glück in den Vordergrund stellen. Bei den Post-Millennials geht es vor allem um Werte rund um die Begriffe Community, Diversity und Inclusion”.
Bei Investitionen in Unternehmen ist für Jan-Soeren Zinke vor allem auch das Konsumverhalten der Zielgruppe des Geschäftsmodells interessant: Während es für frühere Generationen beim Konsum vor allem um Status, aber auch den reinen Besitz von Gütern ging, sind Gen Z Konsument:innen bestrebt, auch durch ihren Konsum einen Zugang zu Communities zu erhalten. “Das “we”, das Gemeinschaftsgefühl, wird zukünftig in zahlreichen Sektoren eine große Rolle spielen – wir sehen das bereits bei Shared Mobility, im Kommunikationsbereich (siehe Slack oder Discord, wo Brands dedizierte Communities aufbauen und pflegen) oder auch im Fintech-Sektor mit jungen Tech-Unternehmen wie Owwn, die großen Fokus auf Community-Aspekte legen. Wir Gen Z Investor:innen wollen sehen, dass Gründer:innen Community-based-Modelle für ihr Geschäft mit oder sogar weiterdenken, um den Konsum-Anforderungen der jungen Konsument:innen gerecht zu werden”, so Jan-Soeren Zinke.
Sinah Mussmann (26) ist Investment Analyst bei Cavalry Ventures, einem Berliner Pre-Seed/Seed VC Fonds, der in europäische Software-Start-ups investiert. Sie nimmt wahr, dass aktuell für viele Investor:innen, sowohl aus der Gen Z, aber auch generationsübergreifend, Sektoren wie Cybersecurity, Data und Dev Tools, Energie, Klima Infrastruktur und Logistik – sei es als Marketplace-Modell oder B2B-Soft- oder Hardware – im Fokus stehen. Sie betont: "Wir werden in Zukunft viele strukturelle Probleme zu bewältigen haben, und meiner Meinung nach spielen unter anderem diese Branchen Schlüsselrollen.”
Sinah Mussmann ist außerdem Community Member bei Global Women in VC. Auf die Frage, welche Themen besonders wichtig sind, antwortet sie:
“Sowohl die Diversität innerhalb des Teams, als auch der Einfluss eines Geschäftsmodells auf die nachfolgenden Generationen, sollten für Unternehmen Priorität haben. Insgesamt kann jede Generation von der anderen lernen: Die älteren Kolleg:innen haben langjährige, wertvolle Erfahrung, während die jüngere Generation eine frische Perspektive mitbringt. Besonders in Bezug auf die aktuelle, rezessive Stimmung im Markt ist es unabdingbar sich mit Investor:innen auszutauschen, die bereits 2000 und auch 2008 miterlebt haben."
Vorteil Generationenvielfalt
Gen Z wird – ihrem Habitus nach – auf Veränderung drängen, was vor allem in Bezug auf Lösungen für unser Ökosystem ein Gewinn für uns alle sein kann. Der Vorteil von Gen Z Investor:innen: Sie können Trends erkennen, die unter dem Radar (oder dem intrinsischen Verständnis) älterer Investor:innen fliegen. Gleichzeitig können Partner:innen anderer Generationen den Newcomer:innen mit ihren bisherigen Erfahrungen zur Seite stehen.
Ein gutes Beispiel für so eine Zusammenarbeit gibt Franziska Pohlmann, Gründerin von createF - The Female Founders Show, ab. In der ersten Staffel ihrer Erfolgsserie wurden
beispielsweise die beiden Gründerinnen Diana zur Löwen (27) und Karla Schönicke von den Investorinnen der Sendung gecoacht, um im Anschluss selbst ihre Tätigkeiten als erfolgreiche Business Angels auszubauen. Davon will Franziska Pohlmann künftig mehr:
“Wir wollen mit createF nicht nur Vorbilder für angehende Gründer:innen zeigen, sondern auch das Investieren und den Umgang mit Kapital aus erster Hand vermitteln, indem wir mit Expert:innen wie Svenja Lassen vom Female Investors Network oder Bettine Schmitz von Auxxo zusammenarbeiten, die ihre Erfahrungen an die nächste Generation weitergeben.”
Fazit: Mindset-Shift führt zu Investitions-Shift
Die jungen Investor:innen vertrauen sowohl auf das Mindset ihrer eigenen Generation als auch auf die Zusammenarbeit mit erfahrenen Kolleg:innen. Sie küren neue Branchen zu Schlüssel-Sektoren und werden auch die Due Diligence (sorgfältige Prüfung und Analyse im Rahmen von Unternehmensakquisitionen) so nah wie möglich an den gesellschaftlichen Forderungen der Gen Z ausrichten.
Der Nachwuchs in VCs ist also schon jetzt dabei, an den für sie wichtigen Stellschrauben zu drehen und ihre Werte zukünftig mit in die Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen. Zukünftige Gründer:innen sollten sich auf der Suche nach Funding also bereits früh mit den Themen und Werten, die die Gen Z umtreiben, beschäftigen, um erfolgreich bei Investor:innen zu punkten.