Kommunikation ist politisch
Public Affairs im Geheimen, Public Relations in der Öffentlichkeit? Diese Aufteilung funktioniert nicht mehr. Warum wir gerade 2023 beides zusammen denken sollten.
Als im November 2019 Tesla-Chef Elon Musk mit der Grünheide in Berlin den Standort für die Gigafactory bekannt gab, staunten viele nicht schlecht. Mit einem Satz katapultierte Musk Deutschland in die Elite der Elektromobilität. Könnte es eine bessere Nachricht in diesem Bereich geben? Wohl kaum. Und doch sorgte die Meldung über den Standort für mächtig Unruhe, denn sowohl Umweltverbände, politische Akteure als auch Medienvertreter:innen ließen kein gutes Haar an den Plänen und dem Verhalten des Unternehmens. Die Nachricht wirkte überstürzt, nicht vorbereitet und vor allem nicht abgesprochen. Das Beispiel zeigt, wie rasch eine eigentlich positive Nachricht zu einer negativen werden kann, wenn ihre Wirkung auf politische Entscheider:innen, Interessenverbände oder Anwohner:innen nicht oder zu wenig berücksichtigt wird.
Integrative Kommunikation als Schlüssel
Eine Strategie, um diese Falle zu umschiffen, ist eine integrative Kommunikation aus Public Affairs und Public Relations: Über Public Affairs lassen sich Beziehungen aufbauen zu Entscheider:innen und Interessenverbänden. So kann ein Unternehmen im persönlichen Gespräch nicht nur seine Argumente vorbringen, sondern auch ermitteln, welche gesellschaftlichen und politischen Vertreter:innen welche Positionen haben.
Damit lässt sich eine Strategie für eine transparente und nachhaltige Pressearbeit entwickeln, um die Bedenken und die gesellschaftlichen Widerstände möglichst zu zerstreuen und Fakten zu schaffen. Das hilft dabei, die Meinungsmacher:innen abzuholen, transparent zu informieren und den medialen Sturm zumindest in gewissem Ausmaß zu lenken.
Vertrauen gewinnen, Ziele erreichen
Public Affairs (PA) umfasst die Beobachtung politischer Entwicklungen, die Gestaltung von Gesetzen und Regulierungen, die Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger:innen und die Förderung der Interessen einer Organisation bei politischen Entscheidungsträger:innen und in der Öffentlichkeit. In Zusammenarbeit mit Public Relations (PR) ergeben sich wesentliche Hebel im Kommunikationsmix eines Unternehmens.
Unternehmen, die Public Affairs und Public Relations erfolgreich miteinander vereinen, können ihre Ziele effektiver erreichen und gleichzeitig das Vertrauen der Öffentlichkeit gewinnen. Politische Einflussnahme und die dazu passende Kommunikationsstrategie sind zwei Schlüsselfaktoren, die den Erfolg maßgeblich beeinflussen können. Das gilt gerade vor dem Hintergrund, dass die Digitalisierung immer weiter in hochregulierte Bereiche vordringt (Beispielhaft: Gesundheits-, Energie- und Finanzsektor), in denen eine kleine Gesetzesänderung oder eine neue Vorschrift ein ganzes Geschäftsmodell in Frage stellen kann. In Zeiten, in denen sich politische Entscheidungen und öffentliche Meinungen schnell und radikal verändern können, ist eine Organisation auf diese Weise in der Lage, auf Veränderungen schnell und effektiv zu reagieren und ihre Maßnahmen entsprechend anzupassen.
5 Gründe, die für eine Kombination aus Public Relations und Public Affairs sprechen
1. Nur wenige Unternehmen – und vor allem nahezu keine Start-ups – können ihre Größe und die Zahl ihrer Beschäftigten als Machtfaktor einsetzen. Ihnen bleibt vor allem ihr Image als Pfund. Je positiver die öffentliche Wahrnehmung eines Unternehmens ist, desto weniger Misstrauen bringen politische Entscheider:innen diesem entgegen – und desto erfolgreicher kann es in der politischen Durchsetzung seiner Interessen agieren. Ähnliches gilt auch umgekehrt: Für ein Unternehmen mit einem hervorragenden Image, aber ohne Public Affairs-Strategie, kann es sehr mühsam werden, politische Weichenstellungen zu beeinflussen. Es taucht schlicht zu selten auf dem Radar der politischen Entscheider:innen auf. Es ist ein Wechselspiel, das sich unweigerlich einander bedingt.
2. Mit einer gut koordinierten Kommunikationsstrategie lassen sich die veröffentlichten Positionen mit den in vertraulichen Gesprächen vertretenen Argumenten abstimmen. Das erhöht die Glaubwürdigkeit und die Durchschlagskraft des Unternehmens.
3. PR kann helfen, Unternehmenspositionen einem breiteren Publikum zu vermitteln und sich so weiteren Unterstützern zu versichern.
4. PR ist ein wesentliches Element, um Unternehmensvertreter:innen als relevante Ansprechpartner:innen zu etablieren. Auch politische Entscheidungsträger:innen lassen sich bei der Vergabe ihrer Termine davon leiten, ob sie von einer Person schon einmal gehört oder gelesen haben und wie viel Einfluss sie ihr in der Branche zuschreiben.
5. Sind Unternehmen gut darüber im Bilde, was sich politisch und regulatorisch in ihrem Bereich verändert, können sie mit einer geeigneten Kommunikationsstrategie rasch reagieren. Im Idealfall besetzen sie so ein relevantes Thema vor ihrer Konkurrenz und beeinflussen so die Meinungsbildung. Wer umgekehrt zu spät auf die Medienlage und politische Entscheidungsvorlagen reagiert, hat es schwer, in der dazugehörigen aktuellen Berichterstattung stattzufinden.
Verzahnung von PA und PR am konkreten Beispiel
Im politischen Berlin kursierte im vergangenen Herbst der “noch geheime” Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium, der sich mit der Legalisierung von Cannabis für den Freizeitmarkt befasste. Da die Durchlässigkeit zwischen Politik und Medien sehr hoch ist, war das Thema sehr schnell relevant für Journalist:innen. Ein perfekter Zeitpunkt für Newsjacking und Positionierung eines Unternehmens. Dank schneller Absprache zwischen Unternehmen, Public-Affairs-Agentur und PIABO konnten wir diesen am selben Nachmittag mit einem Expertenstatement bei t3n und weiteren Medien positionieren und damit einen Mehrwert für die mediale Berichterstattung generieren.
How to Public Affairs
Auch ohne großen Apparat im politischen Berlin lässt sich einiges bewegen. Ein erster Schritt ist beispielsweise, im Wahlkreis des Unternehmens zu beginnen. Die Bundesrepublik ist in 299 Wahlkreise eingeteilt, aus denen aktuell 736 Abgeordnete des Deutschen Bundestages kommen. Einen Termin mit den Abgeordneten aus der Region des Unternehmens zu organisieren ist oftmals ein gutes Mittel, um politisch auf sich aufmerksam zu machen und das eigene Unternehmen sowie die Vision zu präsentieren. Konkrete Ergebnisse sind durchaus möglich: Gibt es entsprechende Fördermittel für Projekte, die das Unternehmen beantragen kann? Kann der/die Abgeordnete Kontakte zu wichtigen Netzwerken erschließen? Gibt es in Zukunft eine regulatorische Änderung, die Einfluss auf die Arbeit und Ziele des Unternehmens hat? All diese Fragen lassen sich im Rahmen eines Unternehmensbesuchs ansprechen. Tipp: Sehr gut geeignet sind die Sommertouren der Politiker:innen, die die sitzungsfreien Wochen nutzen möchten, um einerseits die Region, Menschen und Unternehmen besser kennenzulernen und andererseits, um im Gespräch zu bleiben.
Ein:e Politiker:in zu Gast -– How to?
Konnte der Termin mit einem Politiker oder einer Politikerin organisiert werden, stehen für die Entscheidungsträger:innen im Unternehmen die nächsten Fragen an: Welcher Rahmen ist geeignet? Was präsentieren wir? Welche Medien werden eingeladen? Wer wird darüber hinaus eingeladen? Wie steht der Volksvertreter inhaltlich zum Anliegen des Unternehmens?
Diese und viele weitere Fragen zeigen, wie wichtig es ist, sich akribisch auf einen solchen Termin vorzubereiten. Die Entscheidungsträger:innen sollten wissen, was in diesem Termin erreicht werden soll und was die wichtigsten Botschaften an diesem Tag aus Sicht des Unternehmens sind. Denn: Politiker:innen haben viele Termine an einem Tag und eigentlich nie Zeit! Tipp: Bereiten Sie Factsheets vor, die Sie den Abgeordneten und/oder ihren Begleitpersonen (Referent:innen) an die Hand geben können. So bleiben die Botschaften nicht nur im Kopf, sondern auch in den Mappen zur Nachbereitung.
Dabei gilt als goldene Regel: Sollte der Termin aus Sicht des Unternehmens öffentlichkeitswirksam durchgeführt werden, muss dies zwingend vorab mit dem Büro der/des Abgeordneten abgestimmt und freigegeben sein. Fragen Sie lieber einmal mehr als zu wenig und vermeiden Sie so unangenehme Situationen am Tag des Besuchs.
Warum Public Affairs gerade jetzt?
Die Wege zwischen Unternehmen und Bundestag können also kurz sein – wenn man sie kennt Wer regulatorische Gefahren für sein Geschäftsmodell sieht, sollte nicht zu lange abwarten und Chancen liegen lassen. Denn 2023 zeichnet sich eine große politische Dynamik ab: Dieses Jahr werden noch vier Landesparlamente (Bremen, Schleswig-Holstein, Bayern und Hessen) neu gewählt. Im kommenden Jahr finden dann in acht Bundesländern Kommunalwahlen statt sowie die große Wahl zum Europäischen Parlament. Das Jahr 2023 ist daher ein sehr gutes und entscheidendes Jahr, um Public Affairs und Public Relations eng zusammenzudenken und eine effektive und nachhaltige Kommunikationsstrategie zu entwickeln.