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29.06.2022
Nicolas Kollat

Pride Marketing – Wie vermeiden Unternehmen Pinkwashing?

Der Pride Month Juni neigt sich dem Ende. Und während zahlreiche Unternehmen in Deutschland und der Welt ihre Social Media Logos wieder von Regenbogenfarben auf normal setzen, widmen wir uns in diesem Blog dem Thema Pinkwashing. Was ist das eigentlich, wieso betreiben es so viele Unternehmen und am wichtigsten: Wie vermeidet man es? 

Jedes Jahr dasselbe Spiel: Unternehmen ändern zum 01. Juni ihre Social Media Logos und färben sie in Regenbogenfarben ein, um sich mit der queeren Community zu solidarisieren und für Visibilität zu sorgen. Soweit, so gut… oder? Ja und nein. 

Ja, Visibilität für die Community ist wichtig und richtig, gerade zum Pride Month,  aber eben auch darüber hinaus. Man stelle sich einmal vor, kein Unternehmen würde mehr die digitalen Pride Flags hissen – Repräsentation und Sichtbarkeit blieben aus. Dennoch gilt: Practice what you preach. Solidaritätsbekundungen mit der LGBTQIA+ Community sind großartig, echte Handlungen und echtes Interesse noch viel besser.

 

Business im Zeichen des Regenbogens

Nach Schätzung des britischen Marktforschungsunternehmens LGBT Capital beträgt die Kaufkraft der queeren Gemeinschaft weltweit etwa 3,7 Billionen US-Dollar. Für Deutschland wird eine Kaufkraft von 151 Milliarden Euro geschätzt. Natürlich haben Unternehmen ein Interesse, diese Käuferschicht durch gezieltes Marketing und zielgruppenspezifische Produkte zu erreichen. 

Deshalb wird der Markt jedes Jahr zwischen Mai und Juli mit Produkten in Regenbogenverpackung oder im Zeichen von Queerness überschwemmt. Von der Zahnpasta über Süßigkeiten und Kerzen bis zu Pride Kollektionen großer Modeketten wie Levi’s oder Calvin Klein – der Regenbogen ist überall. Selbst Burgerking und Mcdonalds springen auf den Zug auf und promoten gleichgeschlechtliche Liebe in Form von Pride Whoppern und Rainbow Sticks – was beides nicht so gut bei der queeren Community ankam.

 

Grundsätzlich spricht nichts gegen zielgruppenspezifisches Marketing. Denn am Ende ist es genau Sinn und Zweck von Marketing und Kommunikation, bestimmte Zielgruppen zu erreichen. “Rainbow Capitalism” oder “LGBT-Marketing”, wie es häufig genannt wird, kann also durchaus positiv sein. Oder richtig nach hinten losgehen und der Brand und der queeren Community schaden. 

Die Strategie von Unternehmen, Pride für die eigenen Profite zu missbrauchen, hat einen Namen: Pinkwashing. Laut Definition der UHLALA Group, die sich für LGBTQIA+ am Arbeitsplatz einsetzt, versteht man unter Pinkwashing 

ein[en] Begriff, der die Strategie beschreibt, für bestimmte Produkte, Personen, Länder oder Organisationen zu werben, indem man sich mit der Queer-Bewegung identifiziert, ohne sich tatsächlich für die queere Gemeinschaft einzusetzen. Die Akteure wollen modern, fortschrittlich und tolerant erscheinen. Gleichzeitig werden LGBT+-Menschen von Organisationen oder Ländern oft weiterhin bewusst oder unbewusst diskriminiert.

 

Schadensbegrenzung um jeden Preis

Aus Kommunikationsperspektive ist Pinkwashing unter allen Umständen zu vermeiden. Vor allem riskieren Unternehmen erheblichen Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust, wenn sie zwar schöne Worte spucken, aber nichts konkretes tun, um der Community wirklich zu helfen. Das gilt sowohl gegenüber externen Stakeholdern, B2B-Partner:innen und Konsument:innen, als auch gegenüber der internen Mitarbeiterschaft, allen voran den nicht-heterosexuellen Mitarbeiter:innen. 

Im schlimmsten Fall können solche Kampagnen auch richtige Shitstorms auslösen, wie das Beispiel des Pride Whoppers von Burger King in diesem Jahr eindrücklich zeigt. Das Spielen mit Stereotypen ist ein klassisches Merkmal von Pinkwashing und manifestiert diese weiter, statt sie abzubauen. 

Wie aber erkennt man Pinkwashing? Woher weiß ich als Konsument, ob das Unternehmen bzw. die Brand tatsächlich etwas für die LGBTQIA+ Community tut? Anhand einiger Fragen kann man schnell identifizieren, ob es sich ein Unternehmen bequem gemacht hat und Pinkwashing betreibt oder ernsthaft die queere Community unterstützt. 

 

1. Ist die Unterstützung für die LGBT+-Gemeinschaft auf den Pride Month beschränkt oder wird ganzjährig kommuniziert und unterstützt?

Der Pride Month ist ein guter Anlass, um queere Themen auf die Agenda zu setzen, aber er ist nicht der einzige Monat, in dem man die Community unterstützen kann und sollte. Queere Medien gibt es ganzjährig, queere Spokespeople sind ganzjährig queer, queere Influencer:innen können ganzjährig Produkte bewerben, nicht nur zum Pride Month.

 

2. Ist die Unterstützung auf bestimmte Länder beschränkt, in denen Homosexualität profitabel und angenehm zu befürworten ist?

Ganzheitliche Pride Kampagnen sollten nicht an Ländergrenzen Halt machen. Bei einigen Unternehmen, die international tätig sind, beobachtet man immer wieder, dass nur dort Logos eingefärbt werden und Kampagnen gefahren werden, wo queere Personen ohnehin ohne große gesellschaftliche oder rechtliche Hindernisse leben können. Gerade in Ländern, in denen beispielsweise Homosexualität illegal ist, wäre das digitale Hissen der Regenbogenflagge ein starkes Zeichen der Solidarisierung mit der Community. 

 

3. Sind Mitglieder der queeren Gemeinschaft ein aktiver Teil des Gesamtprozesses? 

Wie auch bei anderen Aspekten von Diversity, ist die Einbindung der angesprochenen Personen von größter Relevanz. Unternehmen, die Pride Kampagnen fahren, ohne Mitglieder der queeren Community einzubeziehen, Side effect: Durch Einbindung der queeren Community können Stereotype vermieden werden, außerdem steigert es die Glaubwürdigkeit enorm.

 

4. Sind die Mitarbeiter über die Maßnahmen des Unternehmens in Bezug auf LGBT+-Themen informiert?

Haltung und gelebte Diversität beginnen in den eigenen Reihen. Die eigene Belegschaft sollte zumindest in den Grundzügen die Haltung und die Efforts des Unternehmens kennen. Auf diese Weise können sie ebenfalls zu Botschafter:innen des Unternehmens in Bezug auf LGBT+-Themen werden. 

 

5. Versucht das Unternehmen nur, von der queeren Gemeinschaft zu profitieren, oder sind Spenden Teil der Kampagne? 

Die letzte Frage bezieht sich auf generierte Umsätze durch Pride Marketing und verkaufte Artikel. Neben Sichtbarkeit und Haltung ist finanzielle Unterstützung der Community durch Unternehmen enorm wichtig, denn häufig sind gerade LGBTQIA+ Organisationen unterfinanziert. Unternehmen, die beispielsweise einen bestimmten Prozentsatz pro verkauftem Artikel spenden, können die Community zusätzlich stärken. Die direkte Kooperation mit Organisationen ist wünschenswert.

 

Pinkwashing vermeiden – ein Auftrag für alle

Wir alle können unseren Beitrag leisten, Pinkwashing aufzudecken und so Unternehmen die Grenzen ihres Handlungsspielraums aufzuzeigen. Viele Unternehmen haben bereits erkannt, dass smarte und ehrliche Pride Kampagnen für alle Beteiligten einen Nutzen haben – Profit und Glaubwürdigkeit auf Unternehmensseite, Sichtbarkeit und Spenden auf Seiten der queeren Community. Es sollte im Interesse aller Unternehmen sein, sich ehrlich zu machen und die queere Community zu supporten, ohne dabei dem Verdacht des Pinkwashings zu unterliegen. 

 

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